Tag 4: „Dolce far niente“ und sommerliches Weihnachten
Was wäre das italienische Leben ohne die Kunst des Müßiggangs, des süßen Nichtstuns? Dem „Dolce far niente“ durften, ja mussten sich deshalb auch einmal die Teilnehmer der Familienwallfahrt nach Assisi hingeben, nachdem sie so fleißig auf den Spuren von Franziskus und Klara unterwegs waren.
Tag 4 wurde folglich als Ausflugstag deklariert, wobei der Müßiggang mehr oder weniger auf dem Programm stand – auch, weil nach Tagen voller Sonnenschein das Wetter nicht ganz mitspielte. Die angekündigten Unwetter erwiesen sich aber, Gott sei Dank oder italienisch Grazie Dio, als leichte Übertreibung. Dank der vom Vorbereitungsteam wohlweislich empfohlenen Regenkleidung wurde niemand bis auf die Haut durchnässt.
Diejenigen, die ans Meer fuhren, natürlich schon, soweit sie den Gang ins Wasser nicht scheuten und dabei von warmen Temperaturen überrascht wurden. In Porto Sant‘Elpidio, dem Mittelmeerort in den Marken, hatten die Pilger aus dem Bistum geradezu einen Privatstrand, weil sonst nur wenige Urlauber unterwegs waren.
Für die anderen ging es per Bus zunächst an die Marmore-Wasserfälle, wo die Römer bereits 271 vor Christus zum Trockenlegen eines Sumpfgebiets ein Meisterwerk ihrer Bau- und Ingenieurskunst vollbracht haben. Mit 176 Metern ist der Wasserfall bis heute einer der höchsten künstlich geschaffenen der Welt und – so fügte Busbegleiterin Ursula Mayr trefflich hinzu – „künstlich heißt, dass man ihn auch an- und abschalten kann“. In der Tat: Zwischen 11 und 13 Uhr wurde die Schleuse eines oben gelegenen Flusses geöffnet, so dass sich das Wasserfall-Rinnsal in ein Prachtexemplar von Wasserfall verwandelte und in den unteren Fluss prasselte. Fast zeitgleich öffnete auch der Himmel kurzfristig die Schleusen, so dass die Pilger reichlich Bekanntschaft mit „Schwester Wasser“ machten, wie sie Franziskus im Sonnengesang gepriesen hat.
Mitten im Sommer ging es dann weiter Richtung Weihnachten, nach Greccio – dorthin, wo Franziskus laut Überlieferung 1223 das erste Weihnachtsspiel der Welt mit lebenden Figuren aufführte. Die Grotte, die damals den Geburtsort des Christkindes darstellte, ist im Original und mit uralten Fresken erhalten und wurde in der jüngeren Vergangenheit von den Päpsten Johannes Paul II. und Franziskus besucht. Die stets zum Lobpreis und Gesang aufgelegte Wallfahrerschar aus dem Bistum Augsburg ließ es sich nicht nehmen, trotz unweihnachtlicher Temperaturen „Ihr Kinderlein kommet“ anzustimmen.
Auf großes Interesse stießen auch die zahlreichen kunstvollen oder raffinierten Krippen (sogar ein Motorrad-Tacho war zur Krippe umgestaltet worden) und das heutige Franziskaner-Kloster und seine teils original erhaltenen Vorbauten bis in die Zeit von Franziskus. So gab es Einblicke in einstige Schlafplätze der Mönche (sie verbrachten die Nacht zusammengekauert im Fels), in ihr Oratorium und ein kleines Holzkirchlein mit franziskanischem Kreuz. Dieses zeigt Jesus mit Schläfenlocken: Franziskus betonte stets, dass der Heiland als Jude lebte und starb.
Wie die Mädchen, Buben, Mütter, Väter, Omas und Opas aus seinem Bistum machte sich auch Bischof Bertram einen etwas entspannteren Tag: Er besuchte mit seinem Fahrer und Schwester Dominika die Basilika Santa Maria degli Angeli (auch, um sich mit dort angebotenen franziskanischen Büchern einzudecken) und die uralte Römerstadt Spello. Noch am Vorabend hatte er sich mit bestimmt 100 jungen Leuten aus der Pilgergruppe getroffen, um bei einer abendlichen Party mit ihnen ins Gespräch zu kommen und bei einer nächtlichen Vigil Gottes Nähe zu vermitteln. Das „Dolce far niente“ hatten sich also sämtliche Reisenden aus der Diözese überaus redlich verdient.
Text und Fotos: Johannes Müller